Erhaltung und Restitution extensiv genutzter Offenlandlebensräume durch Beweidung

Bedeutung von Offenland

Obwohl es bedingt durch verschiedene dynamische Prozesse (Feuer, temporäre Überschwemmungen in Flußauen, Insektenkalamitäten) und durch die Wirkung von Herden großer Weidetiere (Pferde und Rinder) vermutlich auch vor Beginn der Waldrodung durch den Menschen größere offene oder halboffene Lebensräume in Mitteleuropa gegeben hat, sind Offenlandlebensräume in großem Umfang hier wohl erst durch die Aktivität des Menschen entstanden. Kulturlandschaften wie die alte westfälische Heidelandschaft trugen zur Entstehung einer beachtlichen Artenvielfalt bei, da besonders die früheren extensiven Nutzungsformen zahlreichen häufig wärmeliebenden Arten die Einwanderung und Ausbreitung in Mitteleuropa ermöglichten. Mit dem Rückgang der Heiden und Moore wurde auch der Niedergang der an diese Lebensräume gebundenen Arten eingeläutet. Viele von ihnen finden sich heute auf der Roten Liste der gefährdeten Arten wieder. Die Zukunft dieser z. T. stark spezialisierten Arten hängt heute von der Erhaltung der verbliebenen extensiv genutzten Offenlandflächen ab.

 

Herausforderung Offenhaltung

Grundvoraussetzung für das dauerhafte Bestehen waldfreier oder gehölzarmer Landlebensräume sind auch gegenwärtig verschiedene menschliche Nutzungsformen wie Gehölzentnahme, Beackerung, Mahd oder Beweidung durch Nutztiere. Fehlt eine Nutzung, die der fortschreitenden Gehölzsukzession entgegenwirkt, so entwickeln sich über kurz oder lang in Abhängigkeit vom Klima und den geologischen Ausgangsbedingungen standorttypische Waldgesellschaften. Auch im Senneraum werden deshalb Flächen aus Natur- und Artenschutzgründen durch verschiedene Nutzungsformen und Pflegemaßnahmen von Gehölzen frei gehalten. Besonders manuelle Verfahren zur Entbuschung sind dabei mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden. Unter wirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Gesichtspunkten erscheint die Nutzung des anfallenden Pflanzenaufwuchses über verschiedene Beweidungsformen geeigneter als eine kostenintensive maschinelle Flächenpflege. Beweidung (z.B. mit Schafen oder Pferden) hat im Senneraum zudem bereits seit vielen Jahrhunderten einen wichtigen Beitrag zur Entstehung und Erhaltung offener und halboffener Lebensräume geleistet.

 

Konzept „halboffene Weidelandschaften“

Extensive Ganzjahres-Beweidung nimmt im Naturschutz mittlerweile einen großen Stellenwert ein. Zahlreiche Begleituntersuchungen zu Beweidungsprojekten mit den unterschiedlichsten Ausgangs- und Rahmenbedingungen aus den letzten 15 Jahren bestätigen folgende Thesen:

  • Extensive Ganzjahres-Beweidung ist ein geeignetes Instrument zur Entwicklung wertvoller Naturschutzflächen.
  • In halboffenen Weidelandschaften entsteht ein dynamisches System das durch die Faktoren Sukzession sowie Verbiss, Nährstoffumlagerung und Tritt der Weidetiere gesteuert wird.
  • Extensive Ganzjahres-Beweidung ermöglicht es, Offenland dauerhaft zu erhalten und erzeugt ein reichhaltiges Mosaik verschiedener Kleinlebensräume, was sich zumindest kleinräumig positiv auf die Biodiversität auswirkt.
  • Die große Attraktivität halboffener Weidelandschaften setzt positive Impulse für die Naherholung und den Tourismus und bietet dadurch wertvolle Verknüpfungspunkte zwischen Naturschutz und Umweltbildung.

Damit stellt die extensive Ganzjahres-Beweidung ein erfolgreiches Konzept für viele aktuelle Herausforderungen dar und bildet neben dem ökologischen Landbau, der klassischen Biotoppflege und dem reinen Prozessschutz eine wichtige weitere Säule des Naturschutzes.