BIRDRACE 2015 - Ein Erfahrungsbericht

Das war es mal wieder! BIRDRACE-Blues. Am Samstag den 02. Mai fand das 12. bundesweite BIRDRACE statt. Etwa 250 Teams (es werden von Jahr zu Jahr mehr) gingen in ganz Deutschland an den Start, um binnen 24 Stunden möglichst viele Vogelarten zu sehen bzw. zu hören. Ein Schaulaufen leidenschaftlicher Ornithomanen? Natürlich! Aber auch der alljährliche Versuch, auf die faszinierende Artenvielfalt vor der eigenen Haustür aufmerksam zu machen und selbstverständlich auch auf die Probleme, mit denen diese konfrontiert ist.

Das war es also mal wieder! Zum 7. Mal waren wir im Kreis Paderborn dabei. Bereits Wochen vor dem Tag der Tage liefen die Vorbereitungen. Wie bekommt man es nur hin, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein? Bestimmte Arten singen eben morgens am intensivsten, andere rufen nachts, manche sind im Mai bereits sehr still, weil sie brüten oder sogar schon Junge füttern. Andere kommen gerade erst aus den Winterquartieren zurück in ihre Brutgebiete. Hinzu kommt, dass viele Vogelarten heute einfach viel seltener sind, als sie es früher wohl einmal waren. Wieder andere Arten - auch das ist eine Wahrheit - können wir erst seit der jüngsten Vergangenheit (wieder) bei uns bestaunen. Eine Lehre der letzten sechs Rennen: Ein erfolgreiches BIRDRACE setzt gute Kenntnisse voraus. Von der Pflicht, einen guten Fahrplan auszuarbeiten, um die zur Verfügung stehende Zeit möglichst effektiv zu nutzen, ist es also nicht weit zur Kür, bei einigen Arten vorher günstige Beobachtungsplätze zu lokalisieren. Was benötigt man noch? Artenkenntnis natürlich, aber auch Leidensfähigkeit! Um 0:00 Uhr fällt der Startschuss. Vorschlafen? Kaum möglich. Also würden wir am Ende des Tages wieder etwa 40 Stunden auf den Beinen sein. Das geht an die Substanz.

Relativ gut vorbereitet traf sich also eine Gruppe leidenswilliger Vogelkundler an der Biologischen Station. Ferngläser, Spektive, Fotoausrüstungen und natürlich Proviant zur Erhellung dunkler Momente gut im Mannschaftsbus verstaut, ging es nach Mantinghausen, die erste Vogelart bereits auf der Liste: der Kiebitz, das aktuelle Sorgenkind der Artenschützer nimmt gerade leider rapide im Bestand ab. Der ehemalige Wiesenbrüter sucht heute auf Ackerflächen den Bruterfolg, häufig leider vergeblich. Seine Rufe sind häufig auch nachts zu hören. In Mantinghausen angekommen wird die Artenliste schnell länger: Nachtigall, Weißstorch, Lachmöwe und auch unsere erste Eule, die Schleiereule. Uns zieht es weiter. Im NSG Steinhorster Becken lohnt sich für Birdracer auch ein nächtlicher Besuch. Enten, Limikolen und und eine Wasserralle lassen sich nicht lange bitten. Läuft doch! Weiter durch die Dunkelheit.

 

 

Im Morgengrauen rollen wir durch das NSG Moosheide und blicken zum ersten Mal zurück auf die vergangene Nacht: drei Eulen, eine Wasserralle, aber leider keine Waldschnepfe und auch kein Ziegenmelker, schade! Die Heiden, Kiefernforsten und Hofstellen der Moosheide versorgen uns mit Schwarzkehlchen, Heidelerche, Baumpieper, Gartenrotschwanz, Trauerschnäpper. Die wollten wir hier haben! Überraschend gut läuft es dann auch im NSG Lippeniederung: Feldschwirl, Wasseramsel, Eisvogel, Fichtenkreuzschnabel, Kleinspecht UND Schwarzspecht. Wow, damit war nicht zu rechnen. Wir sind gut im Rennen, deutlich sieht man das ein oder andere Grinsen. Nun der Transfer in den Südkreis, aus der Niederung geht es in den Mittelgebirgsraum mit seinen großen landwirtschaftlich genutzten Flächen, Bachtälern, Mooren und Wäldern. Eine völlig andere Landschaft und weitere Vogelarten. Einige kurze Stopps bringen tolle Beobachtungen für unsere Liste: Uhu, Gebirgsstelze, Braunkehlchen, Wiesenpieper. In den Kleinenberger Wiesen wollen wir uns etwas länger aufhalten. Dieser reizvolle Komplex extensiv genutzter Wiesen und alter Laubwälder macht uns Hoffnung auf schwierige Kandidaten. Tatsächlich, ein Raubwürger, yes! Leider scheinen die Turteltauben noch nicht aus Afrika zurück gekehrt zu sein, oder ist diese extrem selten gewordene Art jetzt auch hier verschwunden? Das klären wir heute nicht. Wir müssen weiter.

Nach einer Pause mit überdosiertem Instantkaffee und viel Kuchen hagelt es in dichter Folge Greifvogelbeobachtungen. Rohrweihe, Wanderfalke und Schwarzmilan! Perfekt. Wir sind nun wieder im Tiefland. Fahrten durch verschiedene Agrarflächenkomplexe und Feuchtwiesengebiete erzeugen wieder dieses Safari-Feeling. Die ein oder andere Art mehr hätte es hier doch sein können. Heute keine Wiesenweihen zu sehen und die Thunbergstelze vom Donnerstag? Schon wieder weitergezogen. War klar! In der Boker Heide erleben wir neben den üblichen Ticks ein echtes Highlight. Der erste Pirol ist da und singt kräftig. Ich mag den einfach! Wir wollen nun wieder ins Steinhorster Becken, uns fehlen noch viele Limikolen und auch auch einige Entenarten, die dort Stammgäste sind. Pfeifente, Löffelente, Krickente wie erhofft! Aber, Was ist das denn. Krasser Schnabel! Die Ente habe ich doch schon mal gesehen, im Buch! Wir glauben es kaum, dort schwimmt ein wunderschöner Erpel der Schwarzkopf-Ruderente. Diese amerikanische Art, die seit den 1960er Jahren auch in Europa brütet, hat niemand von uns bisher gesehen. Heute ist der perfekte Tag, sich hier im Kreis Paderborn die Ehre zu geben. Da stört es im Moment keinen von uns, dass diese Ente in einigen Regionen Europas der ansässigen Weißkopf-Ruderente Konkurrenz macht. Minuten lang ertönen Salven von Kameraauslösungen. Dann treffen wir auch noch ein BIRDRACE-Team aus dem Nachbarkreis, die Gütersloher Gimpel und für einen Moment ist für die zahlreichen Wochenend-Spaziergänger wirklich kaum ein Durchkommen bei diesem Wald an Stativbeinen und elektrisierten Ornis. Am Lippesee holen wir dann noch den ersehnten Mauersegler ab und womit keiner rechnete, auch einen männlichen Gänsesäger, der als Wintergast eigentlich schon lange wieder den Abflug gemacht haben sollte. You´re welcome!

Die letzten Stunden werden zäh! Der Elan ist weggeschrumpft, die Konzentration hat sich verabschiedet und die Waldschnepfe will heute einfach nicht. Es ist 22.00 Uhr. Jetzt noch mal ein ganzes Stück fahren für eine vage Chance? Kann man eigentlich an Erschöpfung sterben? Ich kann es mir gerade wieder vorstellen? Kriegsrat! Wir haben genug! 124 stehen auf der Liste, stolze 124. Was für ein Tag. Tempo, Spass und tolle Beobachtungen. Wir haben alles geteilt, Leidenschaft und Leid. Jetzt nur noch nach Hause und schlafen, schon morgen wird er da sein: der BIRDRACE-Blues.

 

Christian Venne

 

 

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