Insektenschutz

Insekten spielen eine zentrale Rolle in unseren Ökosystemen. Sie sind die wichtigsten Bestäuber unserer Wild- und Kulturpflanzen, bilden über Räuber-Beute- sowie Wirt-Parasit-Beziehungen stabilisierende funktionale Netzwerke  aus und stellen die Nahrungsgrundlage zahlreicher insektenfressender Arten unter den Reptilien, Vögeln oder Säugetieren dar. Lebensraumverlust, Nutzungsintensivierung und Pestizideinsatz haben in den letzten Jahrzehnten zu einem drastischen Rückgang der Insektenbiomasse und zum Verschwinden zahlreicher Arten geführt. Nach einer im Jahr 2017 veröffentlichten Studie (HALLMANN et al. 2017) hat die Biomasse an Fluginsekten (Schmetterlinge, Fliegen, Hautflügler, Käfer, etc.) in einigen Nordwestdeutschen Naturschutzgebieten um bis zu 75% abgenommen. Diese alarmierende Entwicklung macht ein Umdenken und eine Verstärkung der Schutzbemühungen dringend erforderlich. Schon auf kleiner Fläche kann man mit geeigneten Maßnahmen viel für Insekten erreichen. Das gilt für die freie Landschaft ebenso, wie für den eigenen Garten.

Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Insektenschutz ist selbstverständlich die Erhaltung der bedeutsamen Lebensräume (Schutz vor Bebauung, Umnutzung, Zerschneidung, Beeinträchtigung). Da ein großer Anteil besonders gefährdeter Insektenarten Offenlandlebensräume bewohnt, bedeutet Lebensraumschutz auch Erhaltung, Pflege und Entwicklung von extensiv genutzten Offenlandlebensräumen. Viele der heute für Stechimmen bedeutsamen Lebensräume (z.B. Sandmagerrasen und Zwergstrauchheiden, Kalkmagerrasen) sind Relikte alter Kulturlandschaftsformen (Heidebauerntum, Hüteschafhaltung) und deshalb auch heute in ihrem Fortbestand auf ein geeignetes Pflegemanagement angewiesen.

 

Was wir darüber hinaus tun können:

Futterpflanzenvielfalt erzeugen

Ohne Raupe kein Schmetterling. Diese einfache Schlussfolgerung bedeutet, dass bei den Bemühungen zum Insektenschutz oftmals besonders die Larvenstadien der Insekten ins Auge zu fassen sind. Viele Insektenarten z.B. aus den Gruppen der Schmetterlinge, Hautflügler oder Käfer legen ihre Eier ausschließlich an den Pflanzenarten und sogar Pflanzenteilen (Wurzeln, Blätter, Blüten oder Früchte) ab, die ihre Larven gerne fressen und auf die sie sogar häufig stark spezialisiert sind, darunter auch Arten mit giftigen Inhaltsstoffen.

Eine extensive Nutzung von Grünland durch einschürige Mahd oder zeitweise Beweidung ohne Düngung fördert die Entstehung artenreicher Pflanzengesellschaften und somit auch die Grundlage einer diversen Insektengemeinschaft. Dort wo viele Pflanzenarten vollständig verschwunden sind, kann eine Übertragung von samenreichem Mahdgut besser entwickelter Spenderflächen oder eine Einsaat mit regionalem und standortgerechtem Saatgut helfen.

 

Blütenangebot verbessern

Insekten sind auch auf ein ausreichendes Angebot an Blütenprodukten (Nektar und Pollen) zur Eigen- und/oder Larvenversorgen angewiesen. Eine qualitative und quantitative Aufwertung des Blütenangebotes ist somit ein wichtiger Baustein, um die Situation für Insekten in unserer intensiv genutzten und „aufgeräumten“ Landschaft zu verbessern.

Besonders hohe Ansprüche an das Blütenangebot stellen Wildbienen, denn etwa 130 der in Deutschland lebenden Wildbienenarten sind beim Sammeln von Pollen für ihre Larven ausschließlich auf eine Pflanzenfamilie oder sogar auf eine bestimmte Pflanzengattung angewiesen. Diese Pollenspezialisierung nennt man auch Oligolektie (vom griechischen ‚oligos = wenig‘ und dem lateinischen ‚legere = sammeln‘). Zu den wichtigsten Pflanzenfamilien zählen dabei Schmetterlingsblütler, Lippenblütler, Doldenblütler, Keuzblütler und Korbblütler. Eine herausragende Stellung nehmen in unserer Region außerdem Weiden (Salix), Glockenblumen (Campanula) und Heidekrautgewächse (z.B. Calluna, Erica und Vaccinium) ein – sie dienen allein 15 gefährdeten Wildbienenarten als alleinige Pollenquelle. Neben der Artenvielfalt stellt auch die Quantität der vorhandenen Blühpflanzen häufig einen limitierenden Faktor dar. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass bspw. die Glockenblumen-Scherenbiene zur Verproviantierung einer einzigen Brutzelle etwa 22 Blüten der Wiesen-Glockenblume oder 37 Blüten der Rundblättrigen Glockenblume oder eine ähnlich hohe Blütenzahl anderer Glockenblumen benötigt (ZURBUCHEN & MÜLLER 2012). Ein verbessertes Blütenangebot für die anspruchsvollen Wildbienen hilft gleichzeitig auch den zahlreichen anderen blütenbesuchenden Insektengruppen.

Die Förderung artenreicher Pflanzengesellschaften im Offen- und Halboffenland über extensive Nutzungsformen und ergänzende Maßnahmen (s.o.) fördert Insektengemeinschaften folglich nicht nur durch eine Verbesserung des Futterpflanzenangebotes für Insektenlarven, sondern auch durch eine Aufwertung des Blütenangebotes. Blütenreiche Gehölze wie Weiden oder Obstbäume können hier ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung leisten.

 

Nistplätze schaffen

Viele Insektengruppen entwickeln sich nach einer vollständigen inneren Umwandlung (Metamorphose) aus der Larve zum Vollinsekt. Bei manchen Gruppen vollziehen sich Larvenwachstum und Metamorphose an speziellen Nistplätzen in bestehenden oder selbst angelegten ober- bzw. unterirdischen Hohlräumen. Ein Mangel geeigneter Nistplätze oder Gelegenheiten diese z.B. durch Graben im Boden selbst anzulegen, kann eine Ansiedlung zahlreicher Arten selbst bei einem reichen Angebot an Futter- und Blütenpflanzen unmöglich machen.

Schon mit geringem Aufwand lassen sich bspw. geeignete Nistplätze für Wildbienen herstellen. Der Großteil der Wildbienen nistet in selbstgegrabenen Brutkammern im Erdboden. Die Nester werden überwiegend in Bereichen mit lückiger Vegetation oder an ganz offenen Bodenstellen angelegt, die in der Landschaft heute nur selten zu finden sind. In den sandgeprägten Bereichen der Westfälischen Bucht fehlt seit der großflächigen Aufgabe des Plaggenhiebs (spezielle Wirtschaftsform des Heidebauerntums) vielerorts Ereignisse, die zur Rückführung der Vegetation auf die ersten Sukzessionsstadien beitragen. Dies führte zu einem Rückgang offener Sandlebensräume. Mechanische Verletzungen der Grasnarbe treten heute kleinflächig noch im Bereich von Wirtschafts- und Wanderwegen auf. Verursacher sind landwirtschaftliche Fahrzeuge, Wanderer, Radfahrer und Reittiere. Großflächig fungieren Sandabgrabungen und innerhalb der militärisch genutzten Bereiche Fahrzeugbewegungen zu Manöverzwecken als solche Ereignisse (Panzertracks, Fahrzeugübungsgelände). Heute entstehen in manchen Schutzgebieten des Senneraumes auch im Rahmen gezielter Naturschutzmaßnahmen offene Bodenstellen durch kleinflächiges manuelles Abplaggen oder flaches Abschieben mit dem Bagger. Derartige Bereiche können aber auch schon mit wenig Aufwand geschaffen werden, indem mit Spaten und Schaufel einfach etwas Vegetation abgetragen und der Bereich dann sich selbst überlassen wird.

Bei den oberirdischen Nistplätzen haben insbesondere Hohlräume in totem Holz (wie sie beispielsweise von manchen Käferarten nach dem Schlüpfen hinterlassen werden) eine große Bedeutung. Auch hier lässt sich ein Mangel schnell und einfach durch die Anlage von Totholzstapeln beseitigen, die auch vielen anderen Tiergruppen wichtige Versteckmöglichkeiten bieten. Derartige Stapel sollten ein Angebot von vertikalem und liegendem Holz an einem gut besonnten Platz kombinieren. Durch ein Vorbohren von Löchern verschiedener Durchmesser (2-10 mm, überwiegend im Bereich 3-6 mm) kann die Ansiedlung von Totholznistern stark  beschleunigt werden. Dabei sollte man jedoch darauf achten, scharfe Bohrer zu verwenden und entgegen der Faserrichtung zu bohren, damit saubere Gänge ohne Trocknungsrisse entstehen, bei denen sich die Holzfasern nicht in den Bohrgang drehen und den Bewohnern den Zugang erschweren.

 

Projekte

Ehemalige Brunnenanlagen werden zu Insektenwelten

 

 

 

Kontakt

Christian Venne
Biologische Station Kreis Paderborn-Senne
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